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Michael aus Zofingen Offline



Beiträge: 273

03.06.2011 07:25
Verkehrte Welt? Zitat · Antworten

Es ist längst nicht alles einfach und gerade, so wie bei Geschwindigkeiten: Wenn ein Auto doppelt so schnell fährt wie ein anderes, braucht es nur halb so lange für dieselbe Strecke. Ganz so einfach sind die Zusammenhänge zwischen Geschwindigkeit eines Autos und Geldbußen allerdings nicht. Ein Autofahrer, der in der Stadt 140 km/h fährt, zahlt nicht doppelt so viel Buße wie einer, der „nur“ mit 70 km/h dort fährt. Und würden die gleichen Autofahrer das Spiel auf der Autobahn wiederholen, sähe es ganz anders aus. Entscheidend ist nicht die absolute Geschwindigkeit für das Strafmaß, sondern das die Geschwindigkeit, die man zu schnell fährt. Innerorts darf man, soweit kein anderes Schild vorhanden ist, 50 km/h fahren. Wer dort mit 70 km/h erwischt wird, kommt in der Regel mit einer Buße davon, die zumindest für Leute aus dem Mittelstand fast noch im Peanutsbereich liegen. Dagegen hat der mit 140 km/h in der Stadt mit Freiheitsstrafe und langjährigem Führerscheinentzug zu rechnen. Auf einer Schweizer Autobahn (Höchstgeschwindigkeit 120 km/h) käme der Raser mit einer deutlich milderen Strafe davon und auf einer deutschen Autobahn (solange kein extra Schild eine spezielle Höchstgeschwindigkeit verlangt) käme auch der Raser straffrei davon.

Aber auch eine doppelte Differenz vom Erlaubten führt zu keiner Verdopplung der Strafe. Wer mit 90 km/h durch die Stadt fährt, zahlt nicht doppelt so viel Strafe wie einer mit 70 km/h. Solange es bei Geldstrafen bleibt, nimmt sie etwa exponentiell zu. Wenn es aber zu Freiheitsentzug oder Abnahme des Führerscheins führt, kann man die Dinge ohnehin nicht mehr direkt miteinander vergleichen. Vielleicht nimmt die „Entzugsdauer“ exponentiell zu. Lebenslanger Führerscheinentzug ist durchaus denkbar, aber lebenslanger Freiheitsentzug durch bloßes zu schnell fahren ohne weitere Schäden? Wie schnell muß man dann durch die Stadt rasen?

In anderen Fällen gilt fast schon das Motto „im Dutzend billiger“. Wenn ein junger Mann, der erst kurz seinen Führerschein gemacht hat, mit einem gestohlenen Auto unter Alkoholeinfluß mit überhöhter Geschwindigkeit einen Kreisverkehr in falscher Richtung befährt und dann gegen einen Zaun prallt, dann wird er vermutlich einige Zeit den Führerschein los werden und wegen Alkohol am Steuer. Wahrscheinlich wird man aber argumentieren, daß das Ganze nur wegen des Alkoholkonsums passiert ist. Ohne Alkohol hätte er kein Auto geklaut und auch sonst wäre er korrekt gefahren. Vielleicht würde sogar die Autohaftplicht des rechtmäßigen Autobesitzers den Schaden am Zaun bezahlen und sich gar nicht erst bemühen, den Betrag vom in der Regel zahlungsunfähigen jungen Mann einzufordern.

Was aber passiert, wenn ein 50-jähriger mit seinem eigenen 4rad völlig nüchtern einen Kreisverkehr in falscher Richtung durchfährt und danach trotz niedriger Geschwindigkeit in einen Zaun fährt? Die Geldstrafe wäre wohl niedriger, aber den Führerschein wäre der Mann für immer los. Gesamtheitlich betrachtet sind die Repressalien für den 50-jährigen höher als für den jungen Raser, trotz des niedrigeren Sündenregisters. Verkehrte Welt?

Ich habe ohnehin den Eindruck, daß in der Schweiz und in Deutschland Polizei und Justiz recht schnell überfordert sind, wenn etwas nicht explizit in Gesetzen verankert ist. Und nicht selten ist das Strafmaß dann unverhältnismäßig. In der Schweiz hatte mal ein über 60jähriger Jäger, dessen Augenlicht schon stark nachgelassen hatte, einen Geier, der erst kurz zuvor nach kostspieliger Aufzucht in einer Vogelstation ausgewildert wurde, abgeschossen, weil er den Vogel für eine Krähe hielt. Dem Mann wurden nicht nur die Jagdlizenz und die Waffe abgenommen, sondern er wurde obendrein noch wegen Wilderei bestraft und ihm wurde die Aufzucht des Greifvogels in 5stelliger Höhe in Rechnung gestellt. Werden einem betrunkenen Autofahrer, der am Zebrastreifen einen 17-jährigen Gymnasiasten überfahren hat, die Kosten, die die Eltern des Schülers für dessen „Aufzucht“ hatten, in Rechnung gestellt? Ist ein Geier denn mehr wert als ein junger Mensch? Verkehrte Welt!

Ein Motorradfahrer (anders als ein Fahrradfahrer) muß während der Fahrt per Gesetz zwingend einen Helm tragen, das Tragen einer Motorradkombination dagegen ist nicht vorgeschrieben. Also sollte man annehmen, das ein „Helmmuffel“ auf dem Töff belangt wird, ein „Motorradkombimuffel“ dagegen unbehelligt bleibt. Das ist aber nicht immer so. Wenn ein Töfffahrer im Sommer ohne Helm, aber in Motorradkombi durch die Stadt zur Badeanstalt fährt, ohne weitere Verkehrsregeln zu mißachten, dann würde ihm die Polizei eine Buße in der Höhe abknüpfen, wie sie im Bußenkatalog verzeichnet ist. Ein Motoradfahrer mit Motoradhelm, der bei gleicher Witterung die gleiche Strecke in Windjacke und kurzen Hosen (und möglicherweise noch barfuß) mit gleichem Fahrstil durchfährt, würde unbehelligt bleiben. Was aber, wenn das gleiche nicht auf der Fahrt in ins Schwimmbad, sondern im Dezember bei Temperaturen um 0°C auf der Fahrt zum Weihnachtsmarkt passiert? Der Helmmuffel würde vermutlich in gleicher Höhe gebüßt werden. Den behelmten Kurzhösler würden die Bullen garantiert anhalten, einen Alkoholtest vornehmen usw. Möglicherweise hindern ihn die Schergen auch an der Weiterfahrt hindern mit der Begründung, er könnte wegen der Kälte die Herrschaft über den Töff verlieren und sich und andere gefährden. Ob ein Führerscheinentzug auch denkbar ist? Oder eine Inrechnungstellung der Umtriebe? Wenn man alles zusammenstellt, kann der Schaden, der einem Kurzhösler beim Töfffahren im Winter passiert, höher sein als beim Fahren ohne Helm. Verkehrte Welt?

Im Halbkanton Appenzell Außerrhoden ist seit nicht allzu langer Zeit das Nacktwandern ein Offizialdelikt. Es ist genau geregelt, wie viel Geld jemand hinblättern muß, wenn er beim Wandern ohne Kleidung erwischt wird. Die Höhe dürfte gleich sein, egal ob es 30°C oder 10°C ist. Von Belang dürfte kaum sein, ob man dazu barfuß oder fett beschuht ist. Und wenn jemand in dickem Wollpullover, mit fetten Wanderstiefeln und langen Strümpfen durch die Gegend wandert? Wenn jemand g, von ihm verlangen, glaubt, die Buße wäre dann um den Prozentsatz geringer wie die unbedeckte Hautfläche geringer ist als bei einem „BfbzH-Wanderer“, der irrt gewaltig. Mich würde nicht einmal überraschen, wenn Wanderer, bei denen alles bis auf den „Nicht-2c-konformen“ Bereich bedeckt ist, noch härter belangt werden als „Ganzkörperbarfüßer“. Einem „Ganzkörperbarfüßer“ glauben die Bullen/Richter (von Spießerbirnen ganz zu schweigen), daß er ohne sexuellen Hintergrund so wandert, dem „anderen“ dagegen nicht. Verkehrte Welt?

Und zu guter Letzt noch zum Thema „Benutzung von Offtopic-Fahrzeugen ohne gültigen Fahrausweis. Wer schwarz fährt, muß einen erhöhten Beförderungsbetrag bezahlen. Das ist geregelt, wenn auch nicht in allen Verkehrsbetrieben einheitlich. Auch wegen anderer Dinge wie Verschmutzung von Fahrzeugen, essen im Tram, Tragen von Rollschuhen während der Fahrt kann man belangt werden. Es ist aber nirgends verboten, diese Fahrzeuge barfuß oder in kurzen Hosen zu benutzen. Also kann man auch nicht deswegen mit einer Geldbuße belangt werden. Wirklich? Auch wenn man für die Benutzung von Bussen und Bahnen im Winter in „nicht übermäßig winterliche Kleidung“ nicht finanziell belangt werden kann, so können die indirekten Kosten doch enorm sein. Wenn man aufgehalten wird und Stunden auf irgendwelchen Polizeirevieren festgehalten wird, dann kann durchaus eine Fahrkarte ablaufen, so daß man neu lösen muß. Oder man muß ein Taxi nehmen, weil kein Omnibus mehr fährt. Und würde ich allein die Zeit, die mir die Bullen durch unfaire Behandlung stehlen mit dem Betrag in Relation bringen, den mein Arbeitgeber gegenüber Kunden für meine Arbeitszeit verrechnet, dann kann dieser durchaus höher sein als ein erhöhtes Beförderungsentgelt. Ist Zugfahren im Sommer kein Verbrechen, im Winter dagegen ein schwereres als Schwarzfahren? Verkehrte Welt?

Nachdenkliche Grüße
Michael aus Zofingen

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