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 Euer Leben in kurzen Hosen
Michael aus Zofingen Offline



Beiträge: 273

19.11.2011 11:21
Quellen von St. Chrischona nachgesäckelt Zitat · Antworten

Sonntag 16.10. 2011: Am Vortag war ich im Raum „Milhüsa“ gewesen, die Nacht hatte ich im Schlafsack in einem Waldstück am Kanal verbracht. Es war nicht irgendein Kanal, es war der „Canal du Rhône au Rhin“ (Rhein-Rotten-Kanal)
http://de.wikipedia.org/wiki/Rhein-Rh%C3%B4ne-Kanal
Genauer gesagt handelt es sich um den ehemaligen Kembs-Niffer-Zweigkanal, der für größere Schiffe zugelassen ist. Die Bäume hatten dafür gesorgt, daß der kalte Ostwind, der im Laufe der Nacht zugenommen hatte, mich nicht erreichte. Ebenso war der Untergrund trocken geblieben, anders als das Gras direkt am Kanalufer. Es war so kalt (vermutlich +2°C, Nebel oder Wolken hatte es nicht gegeben), daß ich meine blaue Trainingsjacke anziehen mußte. Eine lange Hose und Schuhe hatte ich nicht dabei, das ist echt wahr. Ich radelte los, vorbei an den Schleusenanlagen bei Niffer, um dann am Ufer des nur noch von Freizeitkapitänen und Sportler benutzten „Canal de Huningue“ (Kanal nach Hüningen) weiterzufahren.
http://de.wikipedia.org/wiki/Canal_de_Huningue

Aber ich folgte nicht gänzlich dem Velowegweiser nach Basel über Hüningen, sondern folgte nach ein paar Kilometern dem Velowegweiser nach Weil am Rhein, da ich ohnehin nach Riehen wollte und so den Umweg über Basel ersparen konnte. Dieser Weg führte an einem Kraftwerk über den „Grand Canal d’Alsace“ (Rheinseitenkanal):
http://de.wikipedia.org/wiki/Rheinseitenkanal
Durch diesen Kanal bewegt sich der gesamte Schiffsverkehr von Basel Richtung Nordsee, der eigentliche Rhein, der wenig weiter östlich verläuft, ist hier nicht schiffbar, da zu felsig. Ich radelte weiter in südliche Richtung, teils am Uferweg am Rheinseitenkanal selbst, teils wegen Bauarbeiten über eine Umleitung. Da ich sehr dem Wind ausgesetzt war, wurden Hände und Füße sehr kalt und rot, meine Beine dagegen froren nicht. Beim Wehr in Märt überquerte ich den „richtigen“ Rhein, dem ich noch etwa einem Kilometer folgte, bis ein Hafengebiet mich zur Benutzung normaler Straßen nötigte.

Hier begegneten mir übrigens die ersten Menschen in 4rädern, vorher war ich lediglich ein paar Joggern begegnet, alle winterlich vermummt. Reaktionen gab es bisher nicht. In Weil-Friedlingen fuhr ich an den einer Stelle vorbei, wo bereits Gleise der zukünftigen Tramlinie nach Basel lagen. Ich überquerte die Grenze, ohne daß ein Zöllner meine Personalien sehen wollte. An der heutigen Tram-Endhaltestelle der Linie 8 in Kleinhüningen folgte ich dem Fluß Wiese, um dann nach Riehen zu fahren. Zuerst ein Stück parallel zur Tramlinie 6, dann aber weiter nach Bettingen und St. Chrischona. Dieser Weg ging recht steil bergauf, und ich mußte noch gegen den kalten Wind (aber in der Sonne) fahren. Das letzte Stück war auch noch Baustelle. Aber ich schaffte den Weg, ohne vom Velo absteigen zu müssen.

Ich schloß mein Velo hinter dem Wartehäuschen an der Bushaltestelle beim Restaurant St. Chrischona an. Es war immer noch kalt, trotz Sonne. Da meine Füße ziemlich durchgefroren waren und quasi die ganze Zeit ab Niffers in den Pedalen meines Velos festgebissen hatten, machten mir anfänglich sogar Schritte auf glattem Asphalt Schwierigkeiten. Zum Akklimatisieren setzte ich mich auf eine Bank, um meine Ausdrucke, auf den die Lagen der Quellen von St. Chrischona eingezeichnet waren, näher zu betrachten, die Füße ab und zu nach hinten und vorne zu bewegen. 5 Minuten später konnte ich wieder normal barfuß auf Asphalt gehen. Es waren an diesem sonnigen Sonntagvormittag recht viele Leute hier oben, teils mit 4rädern, teils mit Omnibussen hier hochgefahren. Keiner schien sich an meiner kurzen Hose und an meinen Nichtschuhen zu stören. Ein Mädchen, das ca. 30 Meter von mir entfernt war, fragte den Vater: „Wieso ist der Mann barfuß? Der muß doch frieren!“ Darauf der Vater: „Nein, der friert nicht, sonst würde er sich wärmer anziehen!“

Ich folgte einem Weg in südlicher Richtung. Als ich in den Windschatten kam, konnte ich endlich meine ungeliebte Jacke im Rucksack (an dem übrigens das Schild „Schuhe? Nein danke!“ befestigt war) verstauen, um im blauen Träger-T-Shirt weiter zu wandern. Die Wegbeschreibung war mehr schlecht als recht, teilweise sogar fehlerhaft. Teilweise mußte ich fiese steinige Wege benutzen, andere dagegen waren barfuß ausgezeichnet begehbar. Bucheckern waren meine ständigen Begleiter. Und dort, wo die Wegbeschaffenheit besonders übel war, lagen sogar Dinge, die ich vom Tessin zur Genüge kenne, in der Nordschweiz aber kaum - Maronis! Kotz! Würg! Aber zum Glück nur an dieser einen Stelle, vielleicht wuchs dort auch nur ein einziger Baum. Es dauerte ziemlich lange, bis ich die Quellen „Q1“ und „Q2“ gefunden hatte. Den „Wilengraben“ fand ich zwar auch, nicht aber einen Wanderwegweiser. Und zu weiteren Quellen fand ich vorerst auch nicht. Daher entschloß ich mich, den Wald zu verlassen, um mich in der Nähe des Spitals auf eine Bank in die Sonne zu setzen, um was zu essen, das erste Mal an diesem Tag.

Dann begab ich mich zur Kirche, wo sich etliche Leute an der Kirchenmauer sonnten. Eine junge Frau hatte auch nur ein Trägershirt an, aber lange Jeans und fette Stiefel. Ein Rennvelofahrer trug kurze Velohosen, aber langärmelige Oberbekleidung. Und ein Wanderer trug Anorak, Schlapphut, 7/8-Hosen sowie Treckingsandalen mit mausgrauen Socken. Ich wanderte weiter zum Sendemast. Hier wurde ich von einem ca. 30jährigen Paar angesprochen, speziell von der Frau. Es ging auch darum, ob ich auch im Winter ohne Schuhe wäre, was ich mit gewissen Einschränkungen bejahen konnte. Auch die gesundheitlichen Gründe wurden angesprochen. Selbstverständlich konnte ich es nicht lassen zu erwähnen, daß ich auch schon deswegen Ärger mit der Polizei und dem Personalchef hatte. Bezüglich Polizei fragte mich die Frau, ob ich dort völlig ohne Kleidung unterwegs gewesen war, sie hätte von Nacktwanderern im Appenzellerland gehört. Darauf antwortete ich: „Das war ich nicht! Die Nacktwanderer waren nicht wirklich nackt, da sie durchwegs Schuhe trugen und teilweise sogar eine Mütze! Aber für manch einen Schweizer Füdlibürger ist man schon „nackt“, wenn man außerhalb des Hochsommers kurze Hosen und keine Schuhe trägt und rufen die Polizei. Und schon manch ein Polizist hat zu mir gesagt, ich solle, wenn ich kurze Hosen zu Jahreszeiten oder an Orten trage, in der andere erwachsene Männer es nicht tun, mich nicht in der Nähe von Kindern aufhalten.“ Darauf die Frau: „Das ist mal wieder typisch Schweiz! Wenn etwas ungewöhnlich ist, wird es gleich kriminalisiert!“ Und zum Thema Arbeitgeber und (Nicht-)Tragen bestimmeter Kleidungsstücke in der FREIZEIT in der Stadt, in der die Firma ihren Sitz ha: „Sind Sie denn Bankangestellter oder Verkäufer in einem Geschäft für Businesskleidung? Bei denen ist es nicht selten im Arbeitsvertrag geregelt, welche Kleidung sie in der Freizeit dürfen, genauso wie bei Berufsfußballern und Berufsschauspielern im Arbeitsvertrag steht, daß sie in der Freizeit nicht Ski laufen dürfen.“ Insgesamt ein positives Gespräch. Ich wurde noch einen Barfuß- und einen Kurze-Hosen-Flyer los und sie wünschten mir noch eine schöne Wanderung und eine unfallfreie Heimfahrt mit dem Velo.

Nun versuchte ich, die fehlenden Quellen „Q3-Q7“ auf anderm Weg zu erreichen. Ich erreichte einen Weg, der direkt an der Grenze zwischen der Schweizer Gemeinde Bettingen (BS) und der deutschen Gemeinde Grenzach-Wyhlen liegt. Ein Knabe fragte die Eltern: „Der Mann ist barfuß, will der baden?“ Die Antwort konnte ich nicht mehr vernehmen. Ich fand tatsächlich winw Quelle, ich glaube es war die „Q7“. Ich konnte es nicht lassen, meine Füße in dem bißchen Wasser zu kühlen. Ich sah, wie zwei bemütze Mädchen den Weg hinunterstürmten mit den Worten: „Papi, wir gehen zum Wasser!“ Ein kleiner Hund (ohne Mütze) folgte ihnen. Sie erreichten die Quelle, sahen mich und – große Glotzaugen! Dann rannten die Mädchen weg und schrien: „Papi, Hilfe, da ist ein blutter Mann!“ Der Hund rannte nicht weg, sondern leckte an meinen Füßen. Der Vater sah mich und korrigierte seine Kinder: „Nein, der Mann ist nicht blutt! Der ist barfuß, das ist gesund. Solltet ihr im Sommer im Garten auch öfters tun!“ Der Hund rannte auf die zu, alle entfernten sich. Wenigstens der Vater war vernünftig, obwohl auch er an diesem Tag fett beschuht war. Und bei der Reaktion der Kinder und der gleichzeitigen Anwesenheit eines völlig unbekleideten Hundes fiel mir eine Geschichte ein, die ich nicht selber erlebt, sondern nur im Forum gelesen habe: Wenn ein Mensch ein Restaurant in einem Küstenort barfuß (und ansonsten eher winterlich gekleidet) betritt und die Füße ordentlich auf dem Fußboden läßt, dann ist es unhygienisch, während sich gleichzeitig niemand dran stört, daß sich ein Köter, der sich zuvor barfuß bis zum Hals draußen im Dreck gewälzt hat, unmittelbar danach auf einer Sitzbank im selben Restaurant bequem macht.

Ich wanderte zurück, wollte noch 2 weitere Quellen beim „Nassen Grund“ aufsuchen, fand aber nur eine. Dann schritt ich bergauf in Richtung Turm und ging dann zum Velo. Auch wenn ich etwas enttäuscht von den Quellen war, so war ich doch zufrieden. Vermutlich war der Zeitpunkt nicht der richtige, immerhin hatte es lange nicht geregnet. Vielleicht suche ich diesen Ort noch mal im Frühling auf, wenn die Quellen mehr Wasser führen sollten und weniger Bucheckern (und Maronis) rumliegen. In schneller Fahrt (mit Rückenwind und bergab) ging es nach Riehen, folgte der S-Bahn Richtung Basel bis zu den Strebergärten, weiter zum Rankhof-Stadion, um dann am Kraftwerk Birsfelden den Rhein zu überqueren. In Birsfelden querte ich die Gleise der Tramlinie 3, zwischen Muttenz und Pratteln folgte ich den Gleisen der Tramlinie 14. Barfüßer traf ich keine, jedoch einen Velofahrer in ¾-Hosen und Sandalen ohne Socken in Muttenz, einem Mädchen auf dem Kindervelo in kuzer Sporthose und Turnschuhen in Frenkendorf sowie ein paar Rennvelofahrer im kurzen Velodreß. Ich mußte gegen den Wind anfahren, der immer stärker und kälter wurde. Ab Rümlingen benötigte ich wieder die Jacke. Ziemlich erschöpft kam ich in Zofingen an.

Schöne Grüße
Michael aus Zofingen

PS: Leider muß ich diejenigen Leser enttäuschen, die darauf gespannt waren, ob der Münsterfährmann barfuß, sockenlos in Sandalen oder fett beschuht war. Ich kam nicht an der Fähre vorbei. Ich hoffe, daß man mich nicht lyncht, nur weil ich den Umweg nicht unter meine Füße – äh – Räder – genommen habe.

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