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Michael aus Zofingen Offline



Beiträge: 273

14.03.2010 11:49
Altkleidersammlung Zitat · Antworten

Meine Tante (Ehefrau vom Bruder meines Vaters) war (oder ist noch immer) ehrenamtlich fürs Rote Kreuz tätig. Unter anderem war sie für die Altkleidersammlung zuständig. Als sie angefangen hatte, war es üblich, daß die nicht mehr benötigte Kleidung zu bestimmten Zeiten am Schalter abgegeben wurde. Dann würde die Kleidung im Besein des Spenders auf Brauchbarkeit kontrolliert. Gute Kleidung kam in die eine Kiste, nicht mehr gute in die andere zur Herstellung von Putzlappen. Falls Kleidung zu dreckig war oder aus einem Material bestand, das zur Herstellung von Putzlappen ungeeignet war, wurde gar nicht erst angenommen, sondern mußte wieder mit nach Hause genommen werden.

Dieses System wurde geändert: Zum einen kamen immer weniger Leute, teilweise deswegen, weil die begrenzten Schalteröffnungszeiten nicht vereinbar waren mit einem Haushalt, in dem beide Elternteile berufstätig waren. Zum anderen sah es das Rote Kreuz nicht als rentabel an, Leute am Schalter abzustellen, wenn niemand kommt. Also wurde vor dem Gebäude ein Container aufgestellt, der jederzeit zugänglich war. In diesem brauchte man lediglich die Altkleidung, verpackt in einem Plastiksack einwerfen.

Was daraufhin geschah, habe ich noch heute in den Ohren (obwohl es über 25 Jahre her ist), weil meine Tante es erzählte, als sie am Geburtstag meines Vaters zu Besuch war. In der Tat nahm die Kleidung schlagartig zu. Allerdings betraf das weniger die noch tragbare Kleidung, sondern die „Lumpen“. Ganz davon abgesehen, daß es Leute gab, die sogar richtige Abfälle in die Säcke taten, wenn der heimische Mülleimer überquoll oder man den Sperrmülltermin verschlafen hatte, hielten viele Leute es nicht mehr für nötig, die Kleidung zu waschen und zu bügeln. Außerdem gab es deutlich mehr zerrissene Kleidung, mehr Kleidung, bei der die Knöpfe abgeschnitten waren. Auch häufte sich „Reizwäsche“ an. Besonders regte sich meine Tante darüber auf, daß sich auch gute Kleidung darunter befand, die vor zwei Generationen modern war. Sie wünschte das alte Sammelsystem zurück.

Wie ist so etwas zu erklären? Vielen Leuten war es peinlich, persönlich irgendwelche Kleidung abzugeben, die nicht „astrein“ war. Sie hatten Angst, daß getratscht wurde. Was sollen denn die Leute denken, wenn ich rosa Petticoats meiner Oma oder den alten Anzug meines Opas abgebe. Die denken doch sicher, ICH hätte es getragen. Bei der anonymen Altkleiderabgabe ist dieses spießige Schamgefühl kein Thema mehr. Selbstverständlich finde ich es als eine Schweinerei, wenn man richtige Abfälle, vollgeschissene Pampas und total verölte Werkstattkleidung in die Altkleidersammlung tut, womöglich noch in denselben Sack, in dem sich brauchbare Kleidung befindet. Aber wieso sollte man die Kleidung noch bügeln. Und wieso soll man fehlende Knöpfe auch noch annähen, womöglich extra dafür noch kaufen. Und noch bedenklicher finde ich, daß man erwartet, daß man keine unmoderne Kleidung abgeben soll, weil man es auch bedürftigen Leuten nicht zumuten kann, unmoderne Kleidung zu tragen. Verdammt noch mal, ich beschaffe mir meine Kleidung nicht mit dem Ziel, sie vorzeitig auszusortieren, damit sie für arme Leute nicht unmodern wird. Seit ich in der Schweiz bin, habe ich noch nie Altkleidung in die Sammlung gegeben. Ich trage sie solange, bis sie total an den Ranzen geht. Aus ehemaliger Dienstkleidung wird nach entsprechenden „Beschneidungen“ bequeme Freizeitkleidung. Und ich würde auch keine Lumpen in die Altkleidersammlung geben und mir gleichzeitig Putzlappen kaufen, sondern die Lumpen als Putzlappen verwenden. Eine ehemalige Krawatte eignet sich übrigens hervorragend, um die Zahnkränze beim Fahrrad zu putzen.

Was später mit den Rotkreuzsammlungen am Wohnsitz meiner Eltern geschah, weiß ich nicht. Sicher ist aber, daß meine Mutter auf dem Dachboden meines Elternhauses den guten Anzug ihres Vaters als Erinnerungsstück eingemottet hat. Mein Opa war so stolz darauf, als er nach dem ersten Weltkrieg diesen schönen Anzug erwerben konnte, nachdem es lange Zeit nichts Vernünftiges zu kaufen gab. Leider hatte mein Opa nicht lange Zeit diesen Anzug tragen können, da es auch wieder Lebensmittel zu kaufen gab. Mein Opa wurde dicker und der Anzug paßte nicht mehr. Auch die Hoffnung, daß er im Alter wieder dünner wurde (er starb 1963 im Alter von 81 Jahren) erfüllte sich nicht. Meinem Vater paßte der Anzug nicht, aber mir würde er vermutlich passen. Zumindest paßte er vor ca. 25 Jahren in Sachen Länge und Weite. Größer oder kleiner bin ich in der Zwischenzeit nicht geworden, aber dicker? Ich glaube kaum. Was würde wohl passieren, wenn ich den Anzug meines Opas heute auf der Straße tragen würde? Sicher würden Teenager genauso kreischen, wie wenn ich im Winter barfuß und in kurzer Hose unterwegs bin. Am Arbeitsplatz hätte ich vermutlich noch am selben Tag einen Termin bei „Dr. Simpel“ Falls dieser Tag gerade in die Fasnachtszeit fallen sollte, könnte ich zu Dr. Simpel sagen: „Es ist ja Karneval!“ Vermutlich würde ich in einer Stadt, in der man mich nicht kennt (bzw. mich aufgrund der Veränderung nicht wiedererkennt) auch von der Polizei kontrolliert werden, womöglich gar mit der Bullenschleuder auf Präsidium gebracht werden, weil man mich verdächtigt, ich hätte aus dem städtischen Museum historische Kleidung mitgehen lassen. Aber soweit bin ich nicht. Vermutlich wird Opas Anzug noch weiter auf dem Dachboden bleiben, bis der elterliche Haushalt aufgelöst wird (mein Vater ist 81, meine Mutter (sie war das Kind aus 2. Ehe meines Opas, daher der Altersunterschied zwischen den Generationen) ist 80). Falls der Anzug dann in meine Hände geraten sollte (mein einziger Bruder ist kleiner und breiter als ich, ihm würde er nicht passen), dann kann ich ihn ja mal tragen, aber nicht in dem Zustand. Ideal wäre er im Winter, wenn es im Hemd/T-Shirt zu kalt ist. Dann könnte ich das Jackett anstelle einer Sommerjacke tragen. Und die Hose würde ich der typischen Form von „Zofinger Hot Paints“ angleichen. Ob mit oder ohne Krawatte, sei mal dahin gestellt. Und welche Schuhe? Da muß ich erst überlegen. Und wenn ich mich nicht entscheiden kann, welche Schuhe ich anziehen könnte, dann entscheide ich mich für diejenigen der Absatzhöhe Null.

Schöne Grüße
Michael aus Zofingen

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