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 Reaktionen der Umwelt auf Eure kurzen Hosen
Michael aus Zofingen Offline



Beiträge: 273

24.10.2010 08:02
Ich war am Bahnhof (in der Hauptstadt) Zitat · Antworten

Am gestrigen 23.10.2010 war ich in der Hauptstadt, wo der neue Bahnhof eingeweiht wurde. Wenn nun jemand glaubt, es handle sich um den Stuttgarter Wahnsinnsbahnhof, der täuscht sich. Ich war nämlich nur am neuen Bahnhof der Kantonshauptstadt, die übrigens für wenige Jahre Hauptstadt der Schweiz war, während Stuttgart nie Hauptstadt des Deutschen Reiches war. Auch wenn es in der Schweiz die direkte Demokratie gibt, so konnten auch in Aarau die Politiker den Abriß eines alten Bahnhofs durchsetzen, um ihn durch einen Neubau zu ersetzen. Und anders als in Stuttgart ging auch niemand auf die Straße. Auch setzten die Aargauer Kantonsbullen und die Aarauer Stadtbullen keine Wasserwerfer und Kampfgase ein, um Bahnhofsgegner gefügig zu machen.

Sicher ist der neue gläserne Aarauer Bahnhof nicht annähernd so häßlich wie der zukünftige Stuttgarter Hauptbahnhof einmal sein wird. Und sicher war der alte Aarauer Bahnhof nicht annähernd so schützenswert wie der alte Stuttgarter Kopfbahnhof. Und hunderte von Bäumen wurden auch nicht geopfert. Aus Solidarität zu den Stuttgarter Bahnhofsgegnern schmiß ich den SBB auch nicht das Geld in den gierigen Rachen, um nach Aarau zu kommen, sondern ich benutzte mein Velo. Bei anfangs trübem Wetter brauchte ich eine Jacke, aber barfuß und mit kurzen Hosen (und ohne Handschuhe und Mütze) war für mich überhaupt kein Problem.

Ich stellte mein Velo in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs ab und ging gleich über den Hausbahnsteig ins neue gläserne Bahnhofsgebäude. Die meist sehr winterlich vermummten Leute machten teilweise große Glotzaugen, als sie mich in nicht übermäßig winterlicher Kleidung sahen. Mein Hauptziel im Bahnhof war die Besichtigung des „Meyersollens“, den ein reicher Aarauer Fabrikant vor etwas über 200 Jahren angelegt hat, um sauberes Wasser für seine Fabrik zu bekommen. Es wurden immer Gruppen zu 24 Personen in die Unterwelt gelassen, daher hatte sich schon eine Schlange gebildet.

Während ich in der Schlange stand, fragte eine hinter mir stehende Frau, ob es nicht zu kalt sei. Ich sagte, daß ich es gewöhnt sei. „Dann sind Sie sicher nie erkältet!“ sagte sie. Ich habe erstaunlich oft festgestellt, daß Leute wissen, daß man durch nicht allzu bedeckter Kleidung, sei es an den Beinen oder an den Füßen, sich nicht erkältet. Aber warum tun sie es nicht selber? Wollen sie sich denn erkälten? Zumindest gab es ein interessantes Gespräch und ich wurde meine Flyer, die das korrekte Beinkleid bzw. die korrekte (nicht vorhandene) Fußbekleidung betreffen.

Endlich war auch ich dran. Zuerst gingen wir durch neue Gänge, die im Zuge des Bahnhofsneubaus angelegt wurden. Hier waren Bilder ausgestellt. Danach ging es in den Stollen selbst. Und dann kam da, was ich nicht ganz so schön fand. Wir mußten einmal einen Umhang überziehen, eine Art Pelerine, zum anderen einen Helm aufsetzen – kotz – würg! Aber wenigstens gab es weder ein Schuh-, noch ein lange-Hosen-Obligatorium. Die Museumsführerin lächelte, als sie mir „Hut und Mantel“ übergab. Es ging eine eiserne Treppe hinunter und dann über einen eisernen Steg (nein, nicht den in Frankfurt), der im Stollen angelegt wurde, damit man trockenen Fußes bzw. Schuhes etwa 20 m durch den Felsen gehen kann. Dann aber endet der Steg, eine einfache Eisenstange verhindert, daß man versehentlich ins Wasser fällt. Ich hasse zwar nasse Hosensäume und nasse Schuhe, aber gegen nasse Füße hab ich nichts, im Gegenteil. Also ging ich bis an die Eisenstange und tauchte meine Füße ins Wasser. Dann ging es wieder nach oben, und einige wunderten sich, weshalb ich unterhalb der Knie so naß war.

Es gab noch einiges interessantes am Bahnhof. So konnte man zwei Offtopic-Fahrzeuge, nämlich den „Roten Doppelpfeil“ und eine Lok der „Zugkraft Aargau“ besichtigen. Hier störte sich niemand an meiner Aufmachung. Mittlerweile war die Sonne durchs Gewölk gebrochen, es wurde recht angenehm warm (allerdings auch windig). Auf dem Bahnhofsvorplatz wurde eine Bikeshow abgehalten. Die beiden Kunstvelofahrer waren behelmt, der eine trug eine kurze Hose, der andere eine lange. Beide waren fett beschuht, was angesichts der gezinkten Pedale der Spezialvelos auch gar nicht verwundert. Die Schlange vor dem Meyerstollen war nun erheblich länger. Ein Mädchen in der Schlange sagte: „Da ist ein Barfußmann!“ Der Vater sagte: „Der läuft immer so rum!“ Der Mann scheint mich wohl noch nie in langen blauen Arbeitshosen in Kombination mit geschlossenem Schuhwerk gesehen zu haben. Ob er mich schon mehrfach gesehen hat? Oder war es nur eine Ausrede, um nicht länger mit Fragen durchbohrt zu werden.

Wenn ich schon mal in Aarau bin, dann kann ich auch was anderes machen. Also ging ich durch die Unterführung zum WSB-Bahnof, wo tramähnliche Schmalspurfahrzeuge nach Menziken bzw. Schöftland abfahren. Das Bahnhofsgebäude des „Nebenbahnhofs“ (so würde man in St. Gallen sagen) fiel nicht der Abrißbirne zum Opfer, von Süden her betrachtet ist der Kontrast zwischen dem alten WSB-Bahnhof und dem neuen gläsernen Hauptbahnhof enorm. Ich aber schritt barfuß und bekurzhost im herrlichen Sonnenschein über angenehm erwärmten Asphalt zum parallel zum noch nicht im Betrieb befindlichen neuen Trassee der Bahnlinie in Richtung Suhr-Menziken bis zum zukünftigen Haltepunkt Buchs. Dann ging es westwärts bis zum alten (heutigen) Trassee, das teilweise auf der Straße verläuft. Ein Mann dort stehender Mann griff plötzlich zu seiner nicht-Malo-konformen Kamera und schoß. Da es sich bei dem Mann aber nicht um einen Fuß- oder Textil-Fetischisten, sondern um einen Pufferküsser handelte, galt der „Schuß“ nicht mir, sondern einem schmalspurigen Offtopic-Fahrzeug, das gerade angerattert kam. Bald wird die „Straßenbahnromantik“ in Aarau der Vergangenheit angehören, die „Trams“ werden wenige 100 m östlich fahren (Einweihungsfeier am 21.11.2010 in Buchs und am 11.12.2010 in Suhr).

Ich ging nicht direkt zum Bahnhof, sondern durch die Gais-Unterführung und weiter in die Altstadt, vorbei an der Stadtkirche und durch die belebte Fußgängerzone. Hier gab es einige lästernde Bemerkungen von biersaufenden und rauchenden Jugendlichen sowie große Glotzaugen von kleinen Kindern. Erst dann ging ich zum Bahnhof zurück, um mein Velo abzuholen.

Ich radelte barfuß, bekurzhost und ohne Jacke in Richtung Aare. Ich hörte, wie ältere Frauen sagten: „Der ist aber abgehärtet, sogar barfuß. Unser einer ist verweichlicht!“ Mein Weg führte über Schönenwerd, Olten und Aarburg (mit einem Umweg über Brittnau) zurück nach Zofingen, wo ich kurz nach Einbruch der Dunkelheit ankam. Auch wenn der Anlaß hochgradig offtopic war, so hat es mir trotzdem gefallen. Vielleicht war es der letzte Tag in diesem Jahr, an dem das Quecksilber die 10°C-Marke überschritt und es trotzdem schönes Wetter war.

Schöne Grüße
Michael aus Zofingen

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